Interview mit Tobias Lindner, 2017
In der Kirche St. Franziskus steht eine Füglister-Orgel, welche Stärken und Schwächen hat sie aus Ihrer Sicht, welche Literatur ist optimal und welche nicht?
Mein Dienstinstrument ist eine kleine aber feine Orgel, die sich passenderweise ein wenig am Armutsideal des Heiligen Franziskus orientiert: sie besitzt nur 25 Register und ist somit für den grossen Kirchenraum doch recht sparsam gehalten. Eine reiche Gemeinde hätte sich bestimmt noch 10 Register mehr gegönnt. Stilistisch orientiert sie sich am barocken elsässischen Orgelbau. Handwerklich ist sie von höchster Qualität. In all den 25 Jahren gab es noch keine einzige Reparatur! Sie ist gebaut für französische barocke Orgelmusik. Es klingt aber an sich die komplette barocke Musik auf ihr sehr gut. Bei romantischer Musik muss man schon ein wenig aufpassen und auswählen, weil ihr einfach die Grundtönigkeit und die Masse fehlt. Bei moderner Musik genauso. Wenn es um Einzelfarben in den Registrierungen geht, dann kann sie das sehr gut. Kathedralklang ist natürlich nicht machbar. Ein kleiner und wendiger Sportwagen ist mit einem Reisebus nicht zu vergleichen. Das Wichtigste darf man aber nicht vergessen: sie ist ja in erster Linie ein liturgisches Instrument. Sie soll den Gemeindegesang stützen und leiten. Das kann sie ideal.
Welchen Stellenwert hat das Orgelfestival für die Franziskusgemeinde und welche für Sie als Organist und Musiker?
Meine Gemeinde schätzt die Konzertreihe im November sehr. Nach den Konzerten kommen immer viele Leute zu mir, die sich freuen und die erstaunt sind, was man mit dem Instrument alles machen kann. So eine grosse Investition muss sich ja auch hören lassen! Unser grosser Stolz ist der Förderverein für Kirchenmusik, der die Konzertreihe finanziert und der auch unsere Orchestermessen und Chorkonzerte unterstützt. Über 200 Leute sind dort Mitglied! Durchaus auch Leute aus anderen Gemeinden oder sogar aus Weil und Lörrach. Sie unterstützen und fördern, was wir hier leisten. Für mich selbst ist das Orgelfestival jedes Jahr eine grosse Herausforderung. Ich muss mir gute Programme überlegen und diese natürlich auch üben. Ich suche nach interessanten Kolleginnen und Kollegen, die mit mir die Konzerte bestreiten. Ich versuche jedes Jahr, nur das Beste zu liefern. Das ist viel Arbeit, aber so bleibe ich als Musiker wach.
Wie unterscheiden sich katholische und evangelische Kirchenmusik voneinander? Was ist das Charakteristikum und Ziel von katholischer Kirchenmusik?
Ich denke, seit dem II. Vatikanischen Konzil sind die Unterschiede nicht mehr so groß, was das Orgelspiel betrifft. Davor war die Orgel das perfekte Instrument für die Untermalung der katholischen Liturgie, des Kultes. Um die Menschen emotional in die Geheimnisse mitzunehmen, die vorne am Altar passieren. Ich sage es jetzt etwas böse: wenn man mit mehreren Personen in einem Lift fährt, ist diese Stille immer etwas sehr bedrückendes. Läuft in diesem Lift jedoch Musik, dann sind alle viel zufriedener. In den Messen vor dem Vatikanum war relativ viel Leerlauf für die Gemeinde, der von der Orgel aufgefüllt werden musste. Heutzutage ist das nicht mehr so stark ausgeprägt. Trotzdem: Improvisieren ist nach wie vor eine gefragte Disziplin. Und an 2-3 Stellen in der katholischen Messe bleibt Platz für schöne und passende Literatur. Bei den evangelischen Organisten war lange Zeit nur gefordert ein Orgelspiel zum Aus- und Einzug. Selbst die Choräle wurden lange Zeit ohne die Orgel gesungen. Auch in der calvinistischen Schweiz war die Orgel lange verpönt – Choräle wurden nach dem Anspiel eines Zinken gesungen. Eine Besonderheit dort ist, dass es immer noch Gemeinden gibt, die ihre Choräle aus dem Gesangbuch vierstimmig singen. Das ist einerseits eine sehr schöne Tradition, andererseits kann sich der Kathole beim Begleiten harmonisch viel mehr austoben, weil er ja nur die Melodie beibehalten muss. Ansonsten hat die Ökumene überall Einzug gehalten: beide Lager spielen Mozart und Bach! In der Chormusik sind die Unterschiede etwas größer. In einem katholischen Gottesdienst wäre niemals eine Bachkantate unterzubringen. Umgekehrt eine Mozartmesse aber eigentlich auch nicht. Katholische Chöre singen gerne Messen, da der Gottesdienst bei uns jedesmal den gleichen Ablauf hat. Kyrie, Gloria, Sanctus und so weiter. Der Kult wird somit verstärkt. Die Evangelischen haben andere Formen und feiern das Wort. Somit muss der Chor sich Sachen suchen, die eben gerade zum betreffenden Sonntagsgottesdienst mit seinen Texten passen.
Wie eng muss sich ein katholischer Organist an die katholischen/theologischen Vorschriften und Vorgaben halten?
Ich sage es mal so: wenn ich in einem Verein Mitglied bin, muss ich mich auch an die Statuten halten. Ich habe eine fünfjährige Ausbildung zum Kirchenmusiker hinter mir. Dort ist viel Unterricht in Liturgie und Theologie gelaufen. Um ein Vielfaches mehr, als Priesterkandidaten in die Kirchenmusik eingeführt werden. Und genau das ist sehr oft ein Krisenherd. Kirchenmusiker wissen meist recht gut, welche Lieder zu welchem Feiertag und zu welchen Texten passen und gehören. Absprache ist also wichtig. Andersrum gesagt: es ist sehr zufriedenstellend, wenn man Musik und Lieder genau passend zu den Texten wählt. So etwas verstärkt einen Gottesdienst ja dann. Ausserdem habe ich dank des Vatikanums nicht mehr das Gefühl, dass ich in einem engen Korsett gegängelt werde. Auch in der Wahl der Orgelstücke. Vor drei Generationen wäre ich für manche meiner Schlussstücke noch fristlos gekündigt worden – ungelogen! Diese Vorschriften habe ich in alten Büchern noch tatsächlich in meinem Schrank! (lacht)
Welche Pläne haben Sie fürs kommende Orgelfestival und die Jahre darüber hinaus:
In unserem Jubiläumsjahr fällt die Konzertreihe natürlich etwas üppiger aus. Im ersten Konzert am 5.November habe ich drei ganz tolle Kollegen zu Gast: die Organisten unserer Nachbarpfarreien St.Clara, Inzlingen und Weil. In der Mitte und am Ende gibt es Apero!
Für das zweite Konzert habe ich Edith Habraken engagiert. Dieses Konzert wird sehr herausfordernd, weil es fast keine Kompositionen für Orgel und Marimba gibt. Wir arbeiten daran!
Im dritten Konzert sind die „Les Cornets Noirs“ aus Muri zu Gast. Mit Posaunen, Zinken und Streichern.
Und als eigentliches Festkonzert gibt es zum Abschluss zweimal das Requiem von Wolfgang Amadé Mozart. Mit Orchester, Solisten und dem Kirchenchor St.Franziskus.
Und wenn ich danach unseren Kassenstand kenne, kann ich weiterdenken… (lacht)